Kommt Ihnen das bekannt vor?
Ihr Kind ist jetzt vielleicht in der 3. oder 4. Klasse und rechnet immer noch mit den Fingern? Und das macht Sie stutzig. Jedenfalls macht es viele Eltern stutzig, die mit ihrem Grundschulkind zu mir in die Beratung kommen.
Warum eigentlich? Ist es nicht natürlich, sich seiner Finger zu bedienen, um zu einem Rechenergebnis zu kommen?
Die allgemeine Lehrmeinung jedenfalls ist es in Deutschland, dass es jedes Kind möglichst innerhalb der ersten 2 Jahre schaffen muss, vom zählenden Rechnen zum strategischen Rechnen zu kommen.
Aber warum schaffen das einige Kinder nicht oder jedenfalls nicht so schnell?
Alle Eltern bringen ihren Kindern noch im Vorschulalter das Zählen bei. Sie und ihr Kind dürfen sehr stolz darauf sein, wenn das Kind fehlerfrei von 1 bis 10 zählen kann und lassen es dies bei jeder Gelegenheit – oft vor Publikum – tun. Dagegen spricht nichts.
Alle Kinder kennen Zahlen somit anfangs nur als eine auswendig gelernte Reihe zum Abzählen.
Viele Vorschulkinder können auch tatsächlich mit ihren 10 Fingern „rechnen“. Dieses Rechnen ist allerdings ein zählendes Rechnen, das heißt, sie zählen zum Beispiel 3 Finger ab und zählen dann noch 4 Finger dazu, um zum Ergebnis zu kommen.
Sie haben kein Verständnis dafür entwickelt, dass in der „7“ natürlich sämtliche Vorgänger enthalten sind. Ihnen fehlen also zu Anfang Strukturen und Zusammenhänge, um wirklich rechnen zu können.
Im Anfängerunterricht der 1. Klasse wird dann auch wochenlang und seitenweise weiterhin zählend gerechnet und viele Kinder kennen dann – logischerweise, weil es nur eine endliche Möglichkeit von Rechnungen innerhalb der 10er oder 20er Grenze gibt – viele Ergebnisse auswendig. Dennoch fehlt ihnen nach wie vor die tatsächlich zugrunde liegende Erkenntnis der Zusammenhänge.
Wie also können Sie Ihrem Kind helfen, damit es möglichst früh strategisch statt zählend rechnet?
Es ist wichtig zu verstehen, dass Ihr Kind keine Schuld trifft, falls es noch in der 4. Klasse mit den Fingern rechnet. Vielleicht merkt Ihr Kind, dass dies nicht gewünscht ist. Doch es weiß überhaupt nicht, was es tun kann, um anders als mit den Fingern zum Ergebnis zu kommen.
Hier müssen wir als Erwachsene unterstützend eingreifen und den Blick dafür schulen, dass in jeder „schweren“ Aufgabe mindestens eine „leichte“ versteckt ist.
Wir müssen den Blick für diese leichten Aufgaben schärfen und dem Kind helfen, sich das Rechnen so einfach wie möglich zu machen. Es soll sich sicher darin fühlen, einen Ausweg zu finden, falls es vor einer „schweren“ Aufgabe sitzt.
Hier einige wichtige Rechenstrategien für Grundschulkinder:
- Zeigen Sie Ihrem Kind, dass man Plusaufgaben umstellen kann. So wird aus 3 + 14 gleich die viel einfachere Aufgabe 14 + 3.
- Zeigen Sie Ihrem Kind, dass das einfachste Rechnen immer Rechnen mit einer 10 ist.
So wird aus der schwierig erscheinenden Aufgabe 15 – 8 die leichtere 15 – 5 – 3.
Dafür müssen Sie mit Ihrem Kind darüber sprechen, dass man jede Zahl „zerlegen“ kann. Dass in diesem Beispiel die 8 nicht aus dem Nichts erscheint, sondern sich aus 3 + 5 = 8 zusammensetzt. (Oder aus 4 + 4, oder 7 + 1, je nachdem, was ich bei der jeweiligen Aufgabe benötige.)
Sie sehen sicher, dass es nicht einfach reicht, Ihr Kind rechnen zu lassen. Mathematik hat trotz der vielen Zahlen auch eine ganze Menge mit Sprache zu tun. Deswegen lautet mein wichtigster Rat:
Sprechen Sie mit Ihrem Kind über das WIE beim Rechnen!
Lassen Sie es laut denken. Haken Sie nach und bieten Sie bei Bedarf andere Lösungswege an, die Ihr Kind am besten zuerst sprachlich und dann auch rechnerisch selber erklären kann.
Und geben Sie sich und Ihrem Kind die nötige Zeit, in die Welt der Zahlen einzutauchen und wirklich zu verstehen, wie sich Zahlen zusammensetzen. Manchmal dauert es länger, als wir Geduld mitbringen. Aber es lohnt sich!
Und falls Sie diese Geduld nicht alleine aufbringen oder befürchten, Ihr Kind nur noch weiter zu verwirren, holen Sie sich professionelle Hilfe. Auch diese lohnt sich!